Dienstag, 7. April 2015

Ein Schnitzel auf Abwegen [Reise]
Solotrip nach Istanbul - die Vorbereitungen

Warning: This post contains viel zu viel Text.

Liebe Schnitzelfreunde,
das Reisefieber hat mich gepackt. Mal wieder. Fünf Tage Istanbul stehen vor der Tür. Samt Muezzins, Moscheen und Baklava. Ich gehe ganz allein. Juchu! Es ist erst der zweite Solotrip meines Lebens, aber dieser erste, die eine Woche in Barcelona vor drei Jahren, hallt noch immer in mir nach. Sie war komplett abgefahren, ich habe kaum geschlafen, tolle Menschen kennengelernt und bin randvoll mit Lebensfreude und schönen Bildern in Kamera und Kopf zurückgekehrt. Und ein paar neuen Freunden in Argentinien und Irland. Seitdem bin ich angefixt. Alleine reisen ist nicht nur spannend, es krempelt einen sorgfältigst um und schüttelt ordentlich durch. Glücklich macht es auch. Und stark. Und deshalb muss es jetzt wieder sein.

Was bringt es, groß zu tönen, dass Alleinreisende unglaublich viel Mumm in den Knochen haben und mit allen Wassern gewaschen sein sollten. Aber eigentlich stimmt es natürlich und muss doch gesagt werden: Alleinreisender = Superheld! Na gut, den Satz sparen wir uns. Ich wollte mich halt mutig fühlen. Trotzdem. Ihr wisst, was ich meine. Man wirft sich raus in die Welt und darf alle eventuell auftretenden Probleme mal schön selbst lösen. Auch die ergreifenden Momente feiert man zur Abwechslung ausschließlich mit sich und seinen zehn Zehen. Man begegnet den Menschen ganz anders, weil sozialer Kontakt plötzlich rar und deshalb wertvoll ist. Alleine reisen ist irgendwie anders, aber hauptsächlich macht es wahnsinnigen Spaß.



Bevor ich mich wieder in gewohnter Manier in Details verliere und eine ganze Philosophie übers Reisen ersinne, teile ich lieber ein paar Gedanken übers Vorbereiten solcher Alleinreisen mit euch. Heute mal mit ein bisschen Struktur. Ich weiß. Wo soll das enden.



Die Entscheidung ist gefallen. Zumindest die erste von vielen. Ihr wollt euch alleine auf den Weg machen, die Welt zu erobern. Jawoll! Aber in welcher Ecke fangt ihr damit an? Ich begebe mich meist schnurstracks auf die Seiten der Fluggesellschaften, bevor sich in meinem Kopf vollkommen irre Traumziele melden und ich dann feststellen muss, dass der Transport dorthin fest mit einem vorausgegangenen Lottogewinn verknüpft werden sollte. Manches ist einfach saisonbedingt schweineteuer und muss dann nicht sein. Seid also offen in der Zielfindung.

Meine einzigen Bedingungen für den Solotrip waren beispielsweise ein halbwegs angenehmes Klima und ein Ziel, das ich noch nicht kannte und das mich neugierig machte. Nichts Besonderes also. Sonne, neu und interessant. Fast sinnlos, das zu erwähnen. Aber es hält die Erwartungen weit unten und sorgt dafür, dass ihr euch auch auf Vorschläge einlasst, die ihr vorher so gar nicht auf dem Schirm hattet. Wie in meinem Fall eben Istanbul. Außerdem sind niedrige Preise ein unschlagbares Argument und beugen akuter Entscheidungsunfähigkeit bestens vor. Günstig? Interessiert? Und los! Gute Reiseziele für Einzelpersonen sind meiner Meinung nach Hauptstädte, andere große Städte und allgemein Orte, mit denen eine bestimmte Tätigkeit verknüpft ist. Man kann zum Beispiel ganz wunderbar alleine wandern gehen, einen Surfkurs belegen oder einfach bei vielen Spaziergängen durch malerische Gassen seelenruhig bestimmte Fotografiekenntnisse vertiefen.



Der Flug ist gebucht, die Hummeln im Hintern brummen zufrieden eine Oktave tiefer und ihr könnt euch auf die Suche nach einer Unterkunft begeben. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich alleine unterwegs bin, brauche ich einen Ort, der dafür sorgt, dass meine Anonymität auf KEINEN Fall gewahrt wird. Ich will mit Menschen konfrontiert werden. Außer, es geht auf eine Messe oder Ähnliches, auf der man sich tagsüber die Füße plattlatscht und abends im neuen Zuhause eh nur noch apathisch an die Decke starrt und nicht reden möchte, weil der Kopf brummt. So etwas passiert mir aber eher selten bis gar nicht.

Meine Wahl sind also: Hostel, Bed+Breakfast und private Pension. Wer's ganz intim mag, wirft sich natürlich Dank couchsurfing jede Nacht auf ein anderes fremdes Sofa. Ich habe mittlerweile lieber ein richtiges "Hauptquartier", in das ich zurückkehre. Ständiges Ein- und wieder Auspacken stört die Erholung ein wenig. Bei Hostels achte ich darauf, dass sie liebevoll eingerichtet sind. Soweit sich das anhand der Internetbilder beurteilen lässt. Eine nicht allzu karge, schlichte Einrichtung erhöht zwar oft den Preis pro Nacht, gleichzeitig aber auch die Chancen, dass es Gäste beherbergt, die zu dieser Zeit nicht grölend und kichernd über den Flur stolpern. Und kuscheliger ist es dort dann auch. Es fühlt sich eher nach einem Zuhause in der Ferne an als kühle Stockbetten aus Metall, grelle Neonröhren und nackte Wände. 

Wer zwar grundsätzlich Kontakt, gleichzeitig aber auch garantiert ruhige Nächte haben will, kann sich immer noch in eins der seltenen Einzel- oder Doppelzimmer einbuchen. Oder zu dm gehen und bunte Ohrstöpsel kaufen. Manchmal hat es natürlich nichts mehr mit Wollen zu tun. Ich war diesmal einfach zu spontan und deshalb spät dran. Kein Wunder, wenn man erst eine Woche im Voraus beschließt, sich aus dem Staub zu machen. Jetzt sind es also das Achtbettzimmer und die kleinen Gummistopfen für die Lauscher geworden. Passt schon. Und spart Geld. Alles wird gut.




So isses. Ihr habt ein Ziel, ihr habt ein Bett. Das ist beruhigend. Jetzt fehlt euch zum vollkommenen Glück nur noch der richtige Reiseführer. Ich bin früher gerne ohne diese kleinen dicken Begleiter losgezogen, weil ich dachte, man kriegt auch locker nebenbei alles mit, was wichtig ist. Das sehe ich mittlerweile ein bisschen anders. Generell bin ich eher auf Erlebnisse, gute Gespräche und unerwartete Entdeckungen als auf Sightseeing aus. Die kleinen Spaziergänge in fremden Vierteln, zufällige Begegnungen mit Hunden, Katzen, Kindern oder älteren Herrschaften, aber auch wilde Verfolgungsjagden auf geliehenen Fahrrädern, das Umherstrolchen in verlassenen Gebäuden oder sportliche Aktivitäten. Zu viel altes Gemäuer und starre Denkmäler - das macht mich eher fertig. Nee, danke. Aber was, wenn ihr nur ziellos im Gewirr der Gassen umhergeirrt seid und am Ende des Urlaubes merkt, dass ihr eigentlich darauf gehofft hattet, dieses oder jenes zu finden? Oder euch doch ein wenig ärgert, nichts von der Existenz bestimmter Dinge gewusst zu haben. Das ging mir hinterher in Barcelona so. Zum Glück war der Ire gut vorbereitet und schleifte mich noch zu einem Kloster und auf eine Wanderung durch wundersame Felsformationen. Aber man hat ja nicht immer einen Iren vor Ort, nicht wahr? 


Ein Reiseführer ist keine Heilige Schrift, an die man sich klammert. Ihr sollt ja auch nicht mit der Nase im Buch durch Straßen wieseln und so dann doch fast alles verpassen. Man darf ihn sogar über lange Strecken ignorieren und links liegenlassen, aaaaber: es ist so toll ihn zu haben! Für "ach du scheiße, wo sind wir"-Momente genauso wie für "so, morgen regnet's - welche Möglichkeiten ham wer nu?" Und für Alleinreisende ist der Reiseführer einfach ein guter Anker.

Für Istanbul habe ich das Reiseführerregal in der Buchhandlung meines Vertrauens einmal komplett leergeräumt. Und dann einen dicken, hohen Turm gebaut. Nehmt euch Zeit, da richtig reinzulesen. Braucht ihr viele Bilder, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was ihr sehen wollt? Braucht ihr viele Hintergrundinformationen, damit euer Interesse geweckt wird? Ist euch wichtig, dass das Büchlein ein paar feste Touren oder Spaziergänge vorschlägt? Das war bei mir diesmal der Fall. Ich bin letztendlich bei "Istanbul mit türkischer Riviera und Kappadokien" von National Geographic gelandet, obwohl ich mir vorgenommen hatte, total cool auszusehen, wenn ich meinen Lonely Planet Istanbul aus der Tasche ziehe und beiläufig die Seiten umblättere, während ich genussvoll in einen Sesamring beiße. Aber beim Durchsehen war mir das dann alles definitiv zu oberflächlich und, ja, da war tatsächlich zu wenig Text. Ich hielt das Fast-Food-Restaurant unter den Reiseführern in Händen und war ganz erstaunt über meine eigene Reaktion. Wollemerned. Weggelegt.

Strebertipp: lest den Schinken echt von vorne bis hinten durch. Da haben sich Menschen Gedanken gemacht. Alles werdet ihr nicht sehen (wollen), aber erst, wenn man viel gelesen hat, fühlen sich getroffene Entscheidungen ganz richtig an. Und dann fliegt ihr los und werft eh alles wieder übern Haufen, weil euch das Reiseziel ungefragt vom Hocker haut und euch zu ganz anderen Dingen verführt als ihr euch vorgenommen hattet. So soll es sein! Nur wer einen Plan hat, kann davon abweichen.



Natürlich habt ihr den Reiseführer auch vier Tage vor Abflug noch immer nicht ganz durchgelesen. Aber gewissenhaft durchgeblättert! Ihr habt eine vage Vorstellung davon, was euch erwartet. Okay, das könnt ihr eurer Oma erzählen, ihr habt keine Ahnung. Im Flughafen, während des Fluges und im Shuttlebus lässt sich das aber auch noch ändern. Keine Panik.



Ideen lassen sich auch anders finden. 

Wozu gibt es das Internet? Ich habe in diesem Internet eigentlich nur zwei Dinge unternommen: die google-Bildersuche aktiviert - schickere Bilder gibt es bei Pinterest oder Flickr - und Reiseberichte auf diversen Blogs gelesen. Die Bildersuche taugt eher zur Einstimmung und vermittelt ein Gefühl dafür, was letztendlich wirklich einen Besuch wert ist. Zusammen mit google maps kann man Entfernungen abschätzen und schonmal gucken, was wo liegt und wie kombiniert werden könnte. Bei 8tracks das passende Mixtape ankurbeln und in die fremde Welt eintauchen. Stundenlang. Eine etwas größere, weil faktisch konkretere Hilfe waren mir die durch meine nicht sehr ausgefallene Suchanfrage "Istanbul Blog" gefundenen Reiseberichte auf Blogs, sowohl von Einwohnern Istanbuls als auch Touristen oder professionellen Reisebloggern. Sehr lange hängengeblieben bin ich bei Jürgen und Mike, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, jeder Stadt, die sie bereisen, ganze 91 Tage lang ihre Aufmerksamkeit zu schenken und daher einen etwas tieferen Einblick in das Istanbuler Leben gewähren. Informative Texte, persönliche Meinungen und hochauflösende Knallerbilder. Und wie so oft findet sich in den Kommentaren unter den einzelnen Posts guter Blogs auch noch der ein oder andere richtig gute Tipp. Eine wirklich brauchbare Sammlung informativer Links findet sich auch bei Zeit Online.

Nachdem ich mich stundenlang durch Berichte gebuddelt habe, steht jetzt eine kleine "Will ich machen!"-Liste.

Sie beinhaltet in lockerer Reihenfolge: einen Besuch in einem echten türkischen Hamam, den Besuch der Hagia Sophia und der Blauen Moschee, das Schlendern über den Großen Bazaar, eine Bootsfahrt auf dem Bosporus, das Auffuttern eines Makrelenbrötchens für auffe Faust, das Besteigen des Galata-Turms, das Bestaunen und exzessive Knipsen der alten Straßenbahnen auf der Istiklal Caddesi, das Probieren irgendeiner mir gänzlich unbekannten türkischen Leckerei, eine Stippvisite auf der asiatischen Seite der Stadt, den Besuch des Istanbul Modern und ellenlange Schlenderspaziergänge ohne Eile.

Nutzt vor allem die Reiseberichte im Netz für kleine, besondere Tipps. Ich werde beispielsweise Dank Jürgen und Mike versuchen, den Galata-Turm pünktlich zum Sonnenuntergang zu besteigen. Der Himmel wird sich dramatisch verfärben und die Rufe des Muezzins werden einen eindrucksvollen Klangteppich über die Dächer der Stadt legen. Ich werde Gänsehaut am ganzen Körper haben. Na ja, oder vielleicht regnet es auch und ist neblig und der Herr Muezzin verpasst seinen Einsatz. Wir schaun einfach mal!




Das Inselhopping knüpft nahtlos ans vorhergegangene Fine-tuning an. Da ich alleine unterwegs sein werde und wenigstens ein winziges bisschen Struktur in den Miniurlaub bringen möchte, habe ich mir zu Anfang zwei Punkte von der Liste geschnappt, für die ich wirklich brenne. Fixpunkte vereinbaren nährt eure Vorfreude und gibt euch das Gefühl, ein paar echte Verabredungen zu haben. Ich werde nicht nach Hause fliegen, ohne nackt im Hamam von einer wildfremden Frau abgeschrubbt worden zu sein und ich werde auch nicht gehen, ohne Istanbul vom Bötchen aus betrachtet zu haben. 

Macht euch schlau, bucht Tickets, informiert euch über Öffnungszeiten sowie Ruhetage uuund ab die Post. Ihr habt zwei Dates mit Istanbul.

Eigentlich sollten Hamam und Bootsfahrt schön auf den Urlaub verteilt werden. Vier ganze Tage Urlaub, jeden zweiten davon ein schickes Vorhaben. Dann aber entdeckte ich Circle Istanbul und verliebte mich spontan. Gleich am ersten Morgen in der fremden Stadt mache ich nun also zum ersten Mal eine - anscheinend recht ungewöhnliche - Stadtführung mit. Achtung, Zeitverschiebung! Sonst kommt ihr eine Stunde zu spät. Ich kann Stadtführungen echt nicht ausstehen und bin deshalb sehr gespannt! Die Führung beinhaltet natürlich eine Bootsfahrt und einen Besuch im Hamam. Weil ich clever bin. Zack, Pläne übern Haufen geworfen. Wenn ich eins kann, dann das. Und sie dauert komplett wahnsinnige 13 Stunden. Danach können mich alle Fixpunkte dieser Welt mal gernhaben. Ich werde berichten.



Seid ihr noch da? Unfassbar. Gleich ist es geschafft, ich schwöre. Nur noch ein paar kleine Gedanken, die in keine der oben aufgeführten Kategorien passen, und ihr könnt euch wieder hinlegen.

Abendgestaltung. Ihr könnt euch früh aufs Ohr hauen, weil ihr am nächsten Morgen als Erste senkrecht an der Blauen Moschee stehen wollt, um die kilometerlange Schlange zu vermeiden. Ihr könnt es aber auch gemütlicher angehen lassen und habt vielleicht Lust auf Gesellschaft. In Barcelona gab es eine Art Wohnzimmer im Hostel, in das ich mich einfach mit einem Buch setzte und ab und zu lächelnd aufsah, wenn Gespräche aufkamen. Eigentlich war es das auch schon. So habe ich tolle Leute kennengelernt. Oder ihr sprecht jemanden an, der auch alleine unterwegs ist und fragt, ob ein gemeinsames Abendessen nach einer guten Idee klingt. Oder ein Glas Wein. Mutig sein. Hier kennt euch eh keiner. Kino ist auch drin! Im April findet das Istanbuler Filmfest statt. Dieses Jahr vom 4.-19. April. Mehr Infos hier.

Essen. Frühstück gibt es häufig im Hostel. Mittagessen oft unterwegs. Und abends, tjaaa, da überlegt man sich was. Entweder, ihr habt euch morgens schon verabredet, ihr schlendert wie auch mittags schon irgendwohin, wo es was auf die Hand gibt, ihr könnt im Hostel selbst was zusammenbrauen oder ihr katapultiert euch eigenhändig in die Königsklasse der Alleinreisenden: mit einem Restaurantbesuch. Ein Tisch für eine Person, bitte, danke. Natürlich sind Burger vom großen goldenen M eine Lösung, aber keine gute! Ich rede von richtigen Restaurants. Ihr seid allein, aber das heißt nicht, dass das geile Essen nicht trotzdem geil schmeckt.

Umherstreunen. Eine gute Sache. Noch besser wird es, wenn ihr euch und eurer Kamera eine Aufgabe stellt, die ihr so behandelt wie einen bezahlten Auftrag. Ihr robbt am Boden herum, um Katzen aus der Froschperspektive zu knipsen und werdet schief angeguckt? Nicht eure Schuld, der Boss will es so! Ihr sprecht wildfremde Leute an und bittet um ein Portrait? Weil das auf der To-Do-Liste steht! Ihr fotografiert nichts, was nicht blau, grün oder türkis ist? Muss, sonst platzt doch der Auftrag! Zu Anfang fühlt ihr euch bescheuert, dann werdet ihr mutig und ungewohnt erfinderisch, dann seid ihr kaum noch zu stoppen und dann, dann machen plötzlich auch noch andere Leute mit. Im besten Fall. Ja, diese Dinge geschehen!



Und jetzt nehme ich die Beine in die Hand, schnappe mir meine Kamera, ein Buch, ein bisschen tragbare Musik und stürze mich mitten rein ins unbekannte Istanbul! Bis bald, ihr Lieben!


Was gelernt?
 Vorbereiten geht ja wohl.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen